H(a)unting Houses Series II

27. Mai 2022, Alicia Yerebakan

H(A)UNTING HOUSES SERIES #2

Sex Club “Bolero”

Diese Serie wird eher zögerlich als engagiert fortgesetzt. Für meinen nächsten Standort habe ich einen Ort gefunden, der - wie soll ich sagen - ein bisschen mehr Hardcore ist. Bei meinen Recherchen wurde ich gewarnt, vorsichtig zu sein.

Seit 1942 ist die Sexarbeit und der Betrieb von konzes­sio­nierten Bordellen in der Schweiz ein legales, aber stark regle­men­tiertes Gewerbe. Kulturell ist es aber immer noch kaum akzeptiert und wird meist in einen Topf mit anderen Berufen geworfen, die in den Dunkelzonen der Gesell­schaft liegen.


Die Idee der Serie war es, nach verschiedenen Arten von verlassenen Häusern zu suchen, die sich in anderen Gegenden der Schweiz befinden. Nun, der Sexclub "Bolero" ist nicht weit vom Hotel und Thermalbad "Lostorf" entfernt, über das ich in "The H(a)unting Houses Series #1" geschrieben habe. Das ist der einzige Grund, warum ich mich bei meiner Ankunft am Bahnhof in Olten ein wenig wie zu Hause fühlte. Der einzige Unter­schied war, dass ich diesmal mit dem Bus in ein etwas gehobeneres Viertel namens Löwen in Hauenstein fuhr. Der Club liegt nur eine Gehminute von der Busstation entfernt, neben einem Golfpark und einem Gestüt. Natürlich begann es zu regnen, als ich aus dem Bus stieg.



Ich ignorierte die dunkle Wolke, die sich über mir ergoss, und schlenderte auf den Parkplatz. Bevor ich eintrat, musste ich mich erst einmal umsehen, um zu sehen, ob das Militär oder die Polizei den Parkplatz gerade sperrten. Am Eingang wartet ein demoliertes Auto mit einem finsteren Gesicht auf sie. Eine Garage neben dem Fahrzeug ist randvoll mit analogen Video­kas­setten mit handge­schriebenen Titeln wie "Unten am Fluss, die Schwa­nen­prin­zessin und das verzauberte Königreich". Sogar das Einladungs- - pardon, Warnschild - weist darauf hin, dass es für einen anderen Zweck als den, für den es bestimmt ist, verwendet wird.


Verschiedene Absperr­bänder schmücken die Räume, wenn man das Haus der Freude betritt, und gelegentlich liegen Patronen auf dem Boden. Viele Decken waren durch­gesackt, so dass ich nicht durch alle Räume gehen konnte. Durch die Fenster oder die einge­stürzten Wände fiel kaum Licht, was mich nicht sicherer machte, abgesehen von der Tatsache, dass Magazine aus Pisto­len­griffen herumlagen. Ich versuchte, mich zu stossen und die Treppe hinun­ter­zugehen, aber da war ein Sprüh­schild, auf dem stand: "ZUR HÖLLE" mit dem Gesicht einer Vampirin. Ansonsten muss dies einmal ein florie­render und luxuriös ausge­statteter Club gewesen sein. Alles, was das (Sex-)Herz begehrt, ist noch vor Ort, zumindest in Fragmenten. Sei es eine Sauna­land­schaft, diverse Pools, Lapdance-Stangen, Käfige und andere Objekte, die jegliche Gelüste befriedigen, sind noch erkennbar.

Die Geschichte des Sexclubs Bolero begann früh. Das ehemalige Motel Hauenstein wäre in diesen Tagen 66 Jahre alt: "Es wurde am 26. Januar 1956 eröffnet", erinnert sich Rosa Rubit­schung-Bitterli, die im Hauen­steiner "Löwen" aufge­wachsen ist, auf Nachfrage ohne zu zögern. Warum ist ihr dieses Datum so sehr in Erinnerung geblieben? "Es war ein Wendepunkt für uns, denn das Motel war eine Konkurrenz für den 'Löwen'", erklärt sie. Das neue Motel lag nur wenige hundert Meter weiter die Passstrasse hinauf als der "Löwen", den Rosa Bitterlis Vater noch als Neben­er­werbs­bau­ernhof und Gasthof geführt hatte. Sie erinnert sich auch daran, warum ein modernes Motel auf dem Hauenstein geplant und gebaut wurde: "Damals war geplant, dass die Autobahn über den Hauenstein führen sollte." Das Motel Hauenstein war zunächst als Ausflugs­gast­stätte, Raststätte und Hotel­betrieb ein Erfolg. "An Sonntagen gab es oft eine ganze Völker­wan­derung, und die Trimbacher kamen zu Fuss auf den Hauenstein und kehrten im Motel ein", erinnert sich Rosa Rubit­schung.

Die Haupt­strasse Basel-Luzern war Teil der Verbindung zwischen Deutschland und Italien über den Gotthard. Autos aus Deutschland und anderen Ländern hielten oft auf dem Parkplatz des Motels. Auch Übernach­tungs­mög­lich­keiten waren gefragt.

Bekanntlich wurde die A2 nicht durch das Homburger Tal und über den Unteren Hauenstein gebaut, sondern durch das Dieterstal, mit einem Durchstich zwischen Eptingen und Hägendorf. Mit der Eröffnung des Belchen­tunnels im Dezember 1970 brach der Passverkehr über den Hauenstein zusammen, und das Motel auf der Passhöhe begann zu verfallen.

Obwohl 1971 und 1974 neue Gebäude errichtet wurden, lockte das Motel nun mit Tanz. Die Besitzer wechselten ohne durch­schla­genden Erfolg, und das Lokal wurde wiederholt geschlossen. Mehrere Betreiber wurden in Konkurs­ver­fahren verwickelt. Einer von ihnen war der Unter­hal­tungs­un­ter­nehmer Peter Curti, der im Motel den Nachtclub "Bolero" betrieb, in dem Sexar­bei­te­rinnen ihre Dienste anboten.

Der Sexclub auf dem Hauenstein geriet mehrmals in die Schlag­zeilen. So wurde im November 2001 eine 40-jährige Angestellte um 6 Uhr morgens bei minus 3 Grad nackt und erfroren auf dem Gehsteig vor dem Bolero aufge­funden. Seit dem 7. September 2012 ist das "Bolero" geschlossen und dient der Unter­haltung von "Urban Explorers".

Alle Fotografien sind von der Autorin.

Alle Fotografien sind von der Autorin.

Weitere Inhalte

NEXPO mit starkem Kuratorium auf dem Weg zur nächsten Landes­aus­stellung

Medien­mit­teilung vom 24. Februar 2025

Artikel lesen...

NEXPO will mit neuem Kuratorium Selektion für sich entscheiden

Medien­mit­teilung vom 29. Oktober 2024

Artikel lesen...

NEXPO und Svizra27 gehen eigen­ständige Wege

Medien­mit­teilung vom 12. September 2024

Artikel lesen...